jagdethik – Faszination Wüste

Die Wüste als Jagdgebiet – dies mag im ersten Moment unsinnig erscheinen.

Hagen Denker - Gedanken eines BerufsjägersGedanken von Hagen Denker

Die Wüste – und hier meine ich vornehmlich die Namibwüste im Südwesten Afrikas – hatte für mich schon immer eine besondere Faszination.

Auf den ersten Blick erscheint die Wüste leblos und wortwörtlich desertiert von jeglichen Organismen. Es braucht etwas Zeit um die Wüste zu verstehen. Oft sieht die Wüste nach nichts aus; große Schotterebenen oder endlos erscheinende Sanddünen stehen im steten Wechsel. Unterbrochen wird die Monotonie nur durch vereinzelte Höhenzüge oder die grünumrandeten Trockenflussläufe, die sich zum Atlantik hinziehen. Ansonsten scheint hier wirklich nicht viel los zu sein. Der Eindruck täuscht jedoch.

Es gibt Leben hier und es gibt jagdbares Wild. Wenn man einmal ein bisschen Zeit in dieser Leere verbringt – die grenzenlose Ruhe über sich strömen lässt, am Morgen und Abend die weichsten Pastellfarben bewundert, dann wird klar, dass es hier Leben geben muss.

Angefangen beim charakteristischen keckernden Ruf des Geckos zum Sonnenuntergang, der die Nacht einläutet. Nach geräuschloser Nacht, unterbrochen vielleicht nur vom fernen Heulen einer einsamen Tüpfelhyäne, wird der Tag bald von dem froschähnlichen Duett der Rüppelltrappen eingestimmt, dass sich dann auch über den Tag hinwegzieht.

Nun kann das Ausschreiten und erkunden beginnen. Wenn man Glück hat, trifft man irgendwann auf die ersten Großsäuger, und vielleicht, die einzigen, die nahezu perfekt an die Wüste angepasst sind: der Gemsbock (Oryx) und der Springbock. Diese beiden Wildarten können ohne Probleme für längere Zeit ohne offenes Wasser auskommen. Feuchtigkeit nehmen sie über Pflanzennahrung zu sich oder auch durch das Ablecken von, regelmäßig von der nahen Küste einziehenden, Nebel von kleinen Pflanzen oder Steinen.

Ansonsten sind sie auf sich selbst gestellt; der helle, fast schneeweiße Bauch reflektiert Hitze und Licht; Wasser wird auch an der Losung gespart, die fast knochentrocken den Körper verlässt. Noch dazu hat der Gemsbock ein einmaliges System, bei dem das Blut durch Atmung gekühlt wird, bevor es ins Gehirn gelangt. Dadurch kann der Gemsbock eine relativ hohe Körpertemperatur haben ohne dabei das Gehirn zu beeinträchtigen.

Jagdlich stellen diese beiden Wildarten eine große Herausforderung dar. In dieser flachen, deckungsarmen Landschaft muss man jede noch so kleine Bodenwelle zu seinen Gunsten nutzen. Meistens ist das Anpirschen nur auf dem Hosenboden oder auf dem Bauch möglich – und das über weite Distanzen. Hinzu kommt der glühend heiße Boden von unten, die erbarmungslos brennende Sonne von oben und die unzähligen kleinen Stachel und spitzen Steinchen. Gepaart mit scharfäugigem Wild ist das Bild komplett: Vielleicht eine der anspruchsvollsten – was das jagdliche Können betrifft – Jagden, die man heutzutage noch machen kann. Und trotzdem – oder gerade deshalb auch – eine der Großartigsten.

Es ist auch viel geschrieben worden über den Mythos „Wüstenelefant“ und „Wüstenlöwe“. Dieses ist jedoch vielleicht wirklich nur ein Mythos.

Der Elefant braucht offenes Wasser und er braucht reichlich Nahrung. All dies findet er nur entlang der bewachsenen Trockenflüsse. Diese sind zwar auch typisch für die Wüste, aber sie allein machen die Wüste nicht aus. Es sind „nur“ unterirdische Wasserwege die durch die Wüste ins Meer fließen. Gäbe es diese Trockenflüsse nicht in der Wüste, gäbe es auch keine Elefanten in der Wüste.

Nichtsdestotrotz halten diese Elefanten, die durch die Wüste ziehen, auch eine ungeheure Faszination – jedoch muss ihr Dasein in der richtigen Relation gesehen werden. Schon jetzt gibt es eine Überpopulation (auch begünstigt durch den Mensch angelegte Wasserstellen für touristischen Nutzen) die durch Mineralienmangel zu Knochendeformationen führt.

Ähnlich ist es mit den Löwen (und auch allen anderen Raubtieren und Fleischfressern): Sie können nur dort überleben wo es auch Nahrung für sie gibt. Und es kann auch nur so viele Löwen geben wie es relativ Beutetiere für sie gibt. Dem Löwen eine besondere Anpassung an die Wüste zu bescheinigen ist zwar romantisch, mehr aber auch nicht. Dass der Löwe seine Jagdmethoden anpassen muss, liegt in seiner Natur. Dies muss der Mensch auch tun und trotzdem spricht niemand von dem sagenumwobenen Wüstenmenschen.

Es gilt also festzuhalten, dass das Wild der Wüste, wenn man einmal das Federwild außen vor lässt, der Gemsbock und der Springbock sind. Und wenn man in dieser Einsamkeit vielleicht einen starken Springbock oder Gemsbockbullen erlegt hat, und die Wüste in all ihrer Großartigkeit und den Pastellfarben und Luftverzerrungen erlebt hat, weiß man um die „Faszination Wüste“.