Die Sache mit der bleifreien Munition

Die nachfolgenden Erläuterungen bei der Entscheidungsfindung nach der richtigen Patrone behilflich sein.

Gedanken von Carl-Christian Bittorf

Christian BittorfDie Meinungen hierzu sind vielfältig, daher möchte ich nachfolgend auf einige mir wichtig erscheinende Punkte eingehen. Fakt ist, der ein oder andere ist künftig mehr oder weniger gezwungen mit bleifreier Munition zu jagen. Andere möchten künftig aus freien Stücken heraus bleifrei jagen. Wer also künftig mit bleifreier Büchsenmunition waidwerken möchte, sollte daher vorab das ein oder andere bedenken und beachten.

Die nachfolgenden Erläuterungen sollen daher bei der Entscheidungsfindung nach der richtigen Patrone behilflich sein. Eine Empfehlung für Hersteller X oder Y werde ich sicher nicht geben, denn diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Je nachdem was individuell vom Benutzer einer Patrone erwartet wird.

Ein paar grundsätzliche Betrachtungen (gelten übrigens auch für bleihaltige Geschosse) vorweg.
Zuallererst ist das Thema Präzision zu behandeln. Diese ist kurzum gesagt Grundvoraussetzung für ein sauberes Waidwerken und sollte an erster Stelle stehen.

Nicht jede Waffe schießt mit jeder Patrone gleich gut. Geschossgewicht, Ladung, Drallänge, Freiflug etc. müssen zusammen passen. Vereinfacht ausgedrückt, es nutzt das beste Geschoss nichts, wenn mit diesem keine ausreichende Präzision zu erreichen ist. Ein Streukreisdurchmesser von max. 5cm bis 6cm auf 100m sollte mind. angestrebt werden. Denn sitzt die Kugel mit der nötigen Energie an der richtigen Stelle, ist der Geschossaufbau und das Geschossmaterial schon fast zweitrangig. Ich selbst bin der Meinung, dass 90% der Trefferwirkung einer hochwildtauglichen Patrone im üblichen Entfernungsbereich bis max. 300m in erster Linie von einem ordentlichen Treffersitz abhängig sind. Erst mit zunehmender Verschlechterung der Treffpunktlage, gewinnen die zielballistische Wirkungsweise und der Geschossaufbau mehr und mehr an Bedeutung.

Das Ziel aller modernen Jagdgeschosse ist es, einen möglichst hohen Energietransfer in den Wildkörper zu erreichen und das ganze bei möglichst geringer Wildpretzerstörung. Zwei Vorgaben, die sich eigentlich entgegenstehen.

Betrachten wir nun die verschiedenen Bleifreigeschosse am Markt, ergeben sich grundsätzlich zwei “konkurrierende“ Konstruktionsansätze:
Die klassischen Mantelgeschosse mit Kern aus einem möglichst weichen aber schweren Metall wie Zinn etc., welches das bisherige Blei ersetzt. Die monolithischen Geschosse die aus einem einzigen Vollmaterial bestehen und meist in spanabhebenden oder press Verfahren hergestellt werden. Die Ansätze zur Wirkungsweise der bleifreien Geschosse entspricht weitestgehend derer der bisherigen Teilmantelgeschosse mit Bleikern. Also pilzförmige Deformation und mehr oder weniger starke Splitterbildung, ggf. massiver Geschossrestkörper für hohe Durchschlagleistung und sicheren Ausschuss.

Die derzeit auf dem Markt befindlichen Geschosse lassen sich grob in folgende Gruppen einteilen und haben folgende Wirkungen:

a) Monolithische, masse- und formstabile Geschosse (z. B. Impala, div. Solids).

  • Eher schlechte Augenblickswirkung
  • Verhältnismäßig geringe Energieabgabe im Wildkörper
  • Keine Splitter
  • Sehr hohe Durchschlagleistung
  • Geringe Wildpretzerstörung

In unseren Breiten wenig bis ungeeignet. Für die Jagd auf gefährliches Wild und Dickhäuter z. B. in Afrika seit vielen Jahren jedoch üblich.

b) Monolithische, Massestabile Deformationsgeschosse (z. B. Hornady GMX, Barnes (T)TSX, Lapua Naturalis)

  • Gute Augenblickswirkung
  • Recht gute Energieabgabe im Wildkörper.
  • Normalerweise keine Splitter
  • Hohe Durchschlagleistung und sicherer Ausschuss
  • Geringe Wildpretzerstörung

c) Monolithische, Deformationsgeschosse (Teilzerleger) mit Splitterwirkung (HDB, Bionic Yellow, Möller MJG)

  • Gute Augenblickswirkung
  • Recht gute Energieabgabe im Wildkörper.
  • Oft größere Splitter
  • Hohe Durchschlagleistung des Geschossrestes und sicherer Ausschuss
  • Höhere Wildpretzerstörung als bei b

d) Manteldeformationsgeschosse (Teilzerleger) mit Bleiersatzstoff (TUG Nature, Evo green…)

  • Gute Augenblickswirkung
  • Recht gute Energieabgabe im Wildkörper.
  • Oft viele Splitter unterschiedlicher Größe

Geringere Durchschlagleistung des Geschossrestes, meist jedoch etwas höhere Wildpretzerstörung als a, b und C.

Für fast alle bleifreien Geschosse gilt jedoch:
Aufgrund des geringeren Spezifischen Gewichtes müssen diese im Vergleich zu herkömmlichen Bleigeschossen, bei gleichem Gewicht länger sein, was ggf. zu Präzisionsproblemen führen kann. Dies ist aber nur bedingt problematisch und lässt sich kompensieren. Bei den bisherigen bleihaltigen Geschossen war möglichst schwer und nicht zu schnell oft das richtige Mittel der Wahl, um ein möglichst hohes Geschossrestgewicht und somit einen sicheren Ausschuss zu gewährleisten. Dies gilt bedingt auch für bleifreie Geschosse, sofern es sich um Teilzerleger handelt (c, d).

Massestabile Geschosse (a, b) kann man getrost etwas leichter wählen und hat so ggf. weniger Präzisionsprobleme. Denn diese Geschosse verlieren beim Zieldurchgang kein Gewicht.Zudem benötigen vor allem die monolithischen bleifreien Deformationsgeschosse meist eine möglichst hohe Vo / Vz um im Ziel ein ordentliches Deformationsverhalten zu zeigen, was wiederum mit leichteren Geschossen besser zu bewerkstelligen ist. Zugegeben, hier waren die bei uns recht beliebten aber recht langsamen deutschen. Klassiker (8X57I(R)S, 9,3X62, 3X74R) etwas im Nachteil. Auch waren die Klassischen Metrischen Kal. benachteiligt, da die führende US-Industrie aufgrund der geringen weltweiten Nachfrage bisher wenig in dieser Richtung gemacht hat.
Diese Situation verbessert sich momentan aber zusehends.

Als Beispiel bin ich selbst z. B. in der .308 Win. von 180gr Blei TM auf 165gr Bleifrei (GMX) umgestiegen und bin damit bisher sehr zufrieden.

Oft wird beim Thema Bleifrei das Thema längere Fluchten als Kritikpunkt aufgeführt, was auch bei den Massestabilen Geschossen, unter anderem aufgrund der geringeren Splitterbildung durchaus der Fall sein kann. Das lässt sich aber teils leicht kompensieren, in dem man die Trefferlage von hinters Blatt, aufs Blatt verlegt.

Der Bewegungsapparat wird so stark beeinträchtigt und die Fluchten fallen dadurch schon deutlich kürzer aus. Diese Feststellung trifft übrigens recht oft auch auf so manches Bleihaltige Geschoss zu, wenn diese recht hart sind und ein hohes Restgewicht liefern. Sicherlich wird hier die Minimierung der Fluchtdistanz mit einer etwas höheren Wildbretentwertung erkauft, was aber in soweit weniger dramatisch erscheint, da gerade die entsprechenden Bleifreigeschosse eh eine recht geringe Zerstörungswirkung haben und außer dem z. B. der Wildhandel in der Regel bei Schüssen aufs Blatt kaum Preisabschläge macht.

Abschließend möchte ich folgendes Resümee festhalten. Es gibt gute und es gibt weniger gute Bleifrei Geschosse am Markt, gleiches gilt aber auch für die bleihaltigen Geschosse.

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